Das Bieler Quintett der SP und Grünen zeigt sich bereits siegessicher
«Bienne Solidaire» will nicht nur die linksgrüne Mehrheit im Bieler Gemeinderat verteidigen, sondern auch das Stadtpräsidium. Anna Tanner (SP) schaffte den Einzug auf das Ticket locker.
Die SP-Mitglieder sind am Donnerstagabend so zahlreich erschienen, wie schon lange nicht mehr. Die Co-Präsidentin der Partei Susanne Clauss jedenfalls kann sich nicht daran erinnern, dass die Parteimitglieder in den letzten Jahren je in so hoher Zahl angereist sind. Das sagt sie einen Tag später vor Medienvertretern im Kongresshaus. Total 126 Parteimitglieder kamen ins Wyttenbachhaus, um zu wählen.
Der Hintergrund ist klar, es galt an der Mitgliederversammlung die Kandidatinnen und Kandidaten für die Gemeinderatsliste für die Bieler Wahlen im Herbst zu bestimmen. Dabei hatte die SP eben eine echte Wahl: die SP-Stadträtinnen Salome Strobel und Anna Tanner äugten beide auf den aussichtsreichen dritten Listenplatz.
«Ich bin sehr froh, dass mir die Nomination gelang», sagt Tanner am Freitag sichtlich beschwingt. Im Vorfeld sei das alles andere als klar gewesen. Allerdings ist das Ergebnis dafür dann sehr deutlich ausgefallen: von den 126 Anwesenden haben 89 für Anna Tanner gestimmt. 33 gaben ihre Stimme Salome Strobel.
Für Susanne Clauss ein Zeichen dafür, dass sich die Parteimitglieder einen Umschwung wünschen: «Es ist Zeit für eine neue Art Politik – von Jungen gemacht», sagt sie.
Die gemeinsame Liste von SP und den Grünen setzt sich für die Wahlen im September 2024 also aus folgenden Kandidatinnen und Kandidaten zusammen: die Bildungs-, Kultur- und Sportdirektorin Glenda Gonzalez Bassi (Parti Socialiste Romand), die auch als Stadtpräsidentin kandidiert, steht auf dem ersten Platz. Gefolgt von der zweiten Bisherigen, der Bau-, Energie- und Umweltdirektorin Lena Frank (Grüne). Nach Anna Tanner (SP) steht Stadtrat Urs Scheuss (Grüne) auf dem vierten Platz, gefolgt von PSR-Präsident Hervé Roquet auf Platz fünf.
Vorfreude auf einen belebten Wahlkampf
Das Quintett, flankiert von Grünen Parteipräsident Stefan Rüber und SP-Co-Präsidentin Susanne Clauss, gab sich am Freitag, mehrere Monate vor den Wahlen, durchaus selbstsicher. So sei für beide Parteien klar, dass man den Weg, den man in der Vergangenheit eingeschlagen habe, weitergehen wolle.
Man blicke auf Erfolge zurück, habe es unter anderem geschafft, dass ein Mindestlohn von 4000 Franken für städtische Angestellte festgelegt wurde. Zu den Erfolgen gehöre unter anderem auch der genehmigte Sachplan Velo und die erfolgreiche Abstimmung zur Multisporthalle.
Man werde, so heisst es in einer Mitteilung, einen beherzten Wahlkampf führen. «Das Wohlergehen aller Menschen dieser Stadt ist uns ein zentrales Anliegen», schreiben die Parteien in der Mitteilung.
Dabei freue man sich auf eine echte Debatte, ist im Kongresshaus zu erfahren. So sehe man auch das neu ins Leben gerufene überparteiliche Bündnis mit dem Arbeitstitel «Zukunft Biel» gelassen. Das belebe den Wahlkampf, sei aber für Linksgrün keine Konkurrenz, hiess es.
«Jede Person soll ein würdiges Leben führen können»
Glenda Gonzalez Bassi sagte ganz Sozialdemokratin: «Unser Anspruch ist es, dass in Biel jede Person ein würdiges Leben führen kann. Egal ob Alt oder Jung, ob Arm oder Reich, ob deutsch- oder französischsprachig.» Die Anwärterin auf das Stadtpräsidium betonte unter anderem die Wichtigkeit, dass der Boden in Biel im Besitz der Allgemeinheit bleibe.
Die Stadt solle weiterhin Land kaufen und möglichst kein Land verkaufen. So habe Biel einen grossen Hebel für die Entwicklung in der Hand. Sonst wäre der Bau der Multisporthalle nie möglich gewesen, wenn das Land einem privaten Grundbesitzer gehört hätte, sagte Gonzalez.
Lena Frank sagte, man werde auch in der kommenden Legislatur wichtige Weichen für die Entwicklung der Stadt stellen. Stichworte seien unter anderem die Bekämpfung der Klimakrise und in diesem Zusammenhang die Schaffung von mehr Grünflächen, die den Hitzeinseln entgegenwirken sollen. «Wir wollen künftigen Generationen eine intakte Stadt hinterlassen. Dazu gehören neben Schulhäusern auch Verwaltungsgebäude, die insbesondere in Bezug auf den Wärmeverbrauch modernen Standards entsprechen sollen.»
Die Idee eines Mindestlohnes für alle in Biel
Anna Tanner sprach sich an der Medienkonferenz dafür aus, dass die Kaufkraft für alle reicht, um ein gutes Leben zu führen. «Derzeit ist sie leider unter Druck, sie schwindet», sagt die SP-Politikerin.
Weil die Kosten für externe Kinderbetreuung hoch seien, würden viele Frauen ungewollt Teilzeit arbeiten oder gar aus dem Beruf aussteigen. «Städtische Kinderbetreuung muss bezahlbar sein, das fördert auch die Gleichstellung», sagt Tanner.
Um der schwindenden Kaufkraft entgegenzuwirken, setzt sich Tanner und ihre Partei für die «Etablierung eines Mindestlohnes auf der ganzen Gemeindeebene ein».
Grünen-Stadtrat Urs Scheuss betonte die schöne Lage der Stadt Biel zwischen Jura, See und Mittelland. Diese Vielfältigkeit der geografischen Lage spiegle sich in einer vielfältigen Gesellschaft und Kultur wider.
Ein besonderer Fokus richtet er dabei auf die Entwicklung der Quartiere. «Quartiere müssen eine Art Dörfer in der Stadt mit einer eigenen Identität werden.» Ein Mittel, um das zu erproben, sind laut Scheuss Zwischennutzungen, die die Stadt fördern sollte.
Hervé Roquet betonte, dass er stolz sei, auf dieser Liste zu stehen. Er wolle dazu beitragen, dass im Herbst etwas Historisches geschehe, und Biel zum ersten Mal von einer Frau regiert werde, indem Glenda Gonzalez Bassi zur Stadtpräsidentin gewählt werde.
Glenda Gonzalez Bassi:
- Seit drei Jahren ist sie im Gemeinderat und dort die Vorsteherin der Bildungs-,
Kultur- und Sportdirektion - Die PSR-Politikerin ist im Alter von fünf Jahren nach Biel gezogen
- Sie arbeitet seit 30 Jahren in der Stadt und hat hier ihre drei Kinder grossgezogen
Lena Frank:
- Die ausgebildete Pflegefachfrau ist seit drei Jahren die Vorsteherin der Bieler Bau-,
Energie- und Umweltdirektion - Die Grünen-Politikerin war unter anderem Vizepräsidentin Grüne Kanton Bern
- Als Stadträtin war sie ab 2019 Präsidentin der Geschäftsprüfungskommission
Anna Tanner:
- Seit 2009 sitzt sie für die SP im Stadtrat. Seit 2018 ist sie Vize-Fraktionspräsidentin.
- Sie ist Co-Präsidentin der SP Kanton Bern und seit Dezember 2023 Grossrätin
- Die Sozialarbeiterin arbeitet als Fachberaterin in der Opferhilfe
Urs Scheuss:
- Seit 2015 sitzt er im Stadtrat für die Grünen und war Vorstandsmitglied
der Grünen Kanton Bern - Er ist Präsident der Spezialkommission Totalrevision Stadtordnung RSO
- Studierter Politologe mit Doktortitel
Hervé Roquet:
- Seit Ende 2022 ist er Präsident des PSR.
- Er hat einen Master in Volkswirtschaftslehre.
- Er arbeitet als Assistenz-Doktorand in Geografie an der Universität Genf.
Im März wird er in den Bieler Stadtrat nachrücken
02.02.2024 – Ajour.ch: Das Bieler Quintett der SP und Grünen zeigt sich bereits siegessicher
Deborah Balmer