Anna Tanner will in den Bieler Gemeinderat – und wieso SP und Grüne erneut zusammenspannen
Mit einer gemeinsamen Liste wollen SP und Grüne die linke Mehrheit im Bieler Gemeinderat sichern. Kandidieren wird Anna Tanner – die bei einer Wahl eine schwierige Entscheidung treffen muss.
Gemeinsam für eine nachhaltige, gerechte und lebenswerte Stadt – das schreibt sich das Bündnis «Bienne Solidaire» auf die Fahne. Klingt gut. SP und Grüne vereint. Das habe sich bereits bei den letzten Wahlen 2020 bewährt, sagt Susanne Clauss, Co-Präsidentin SP Biel. «Für uns war das ein Erfolgsmodell.» Dank der rot-grünen Mehrheit im Gemeinderat habe man viele Projekte gemeinsam vorantreiben können.
Doch was hat die linke Mehrheit in der letzten Legislatur konkret erreicht? Immerhin scheiterte ihr grösstes Geschäft, die Budgetabstimmung 2023. Clauss nennt jedoch etliche positive Beispiele. Etwa das Ernährungskonzept der gesunden Küche, an dem inzwischen auch andere Städte Interesse zeigten. Oder die Bodenpolitik mit dem Kauf von strategisch wichtigen Grundstücken sowie die Multisporthalle im Bözingenfeld und die Sanierung des Dufour-Schulhauses, die etliche Jahre vor sich hingeschoben und nun endlich durchgeführt wurde.
Für die kommende Legislatur sei das oberste Ziel, die rot-grüne Mehrheit zu festigen. Mit den geplanten fünf Kandidierenden wäre es sogar möglich, den gesamten Gemeinderat mit SP- und Grünen-Mitgliedern zu besetzen. Das wage man sich jedoch nicht einmal zu erträumen, sagt Clauss. «Das wäre vermessen.»
SP-Grossrätin macht sich bereit
Von den fünf Plätzen auf der Liste sollen drei von der SP besetzt werden, zwei von den Grünen. Es gebe mehr Bewerbungen als Plätze. Namen will Clauss nicht bekannt geben, bevor am 1. Februar die Mitgliederversammlungen der beiden Parteien die fünf Plätze definitiv verteilen. Fest steht: Zwei der Plätze werden von den bisherigen Gemeinderätinnen Glenda Gonzalez Bassi (PSR) und Lena Frank (Grüne) besetzt werden.
Und ein weiteres bekanntes Gesicht hat sich geoutet: Anna Tanner, SP-Stadträtin, seit Ende Jahr auch Grossrätin und Co-Präsidentin der SP Kanton Bern, will sich für den Gemeinderatssitz bewerben, wie sie auf Anfrage bestätigt.
Dies, obwohl spätestens seit ihrem Erfolg bei den nationalen Wahlen im vergangenen Herbst – Tanner landete auf dem ersten Nachrückplatz – alles darauf hinwies, dass sie nicht erneut auf Stadtebene kandidieren würde. Zudem müsste sie bei einer Wahl in den Gemeinderat aufgrund des Verbots eines Doppelmandats sowohl auf einen allfälligen Sitz im Nationalrat verzichten als auch als Grossrätin zurücktreten.
Als das Amt auf nationaler Ebene plötzlich so nah schien, sei ihr jedoch bewusst geworden, wie sehr sie Biel vermissen würde. «Ich möchte Vollzeit für die Stadt arbeiten, denn als Gemeinderätin habe ich mehr Gestaltungsmöglichkeiten für die Stadt und bin nahe bei den Menschen, die mich umgeben», sagt Tanner.
Die gemeinsame Kandidatin für das Stadtpräsidium scheint ebenfalls festzustehen: Gemeinderätin Glenda Gonzalez Bassi. Ihre Kollegin Lena Frank hat Ende Jahr bereits mitgeteilt, dass sie keinen Anspruch auf das Stadtpräsidium erheben wird. Also bleibt da nur noch Gonzalez Bassi. Jemanden fürs Präsidium zu nominieren, der bisher keine Erfahrung im Gemeinderat habe, sei «viel zu gewagt», so Clauss. Zudem sei Gonzalez Bassi eine «hervorragende» Besetzung. Aber auch dies muss nun erst noch von der Mitgliederversammlung abgesegnet werden.
GLP wäre bereit für Neues gewesen
Ein Bündnis gingen bei den letzten Wahlen auch die Mitte-Parteien ein: GLP, CVP, EVP und BDP schlossen sich zur «Vereinten Mitte – Le meilleur choix» zusammen. Ob sich auch für die kommende Wahl eine solche Allianz bilden wird, sei noch unklar, sagt Kevin Hegg, Präsident der Grünliberalen Biel.
Man sei im Gespräch mit den anderen Parteien. Dass SP und Grüne erneut zusammenspannen, sei für ihn nicht überraschend. Unkommentiert lassen will er das aber nicht. «Wir sind gespannt, wie lange die Grüne Partei ihre Juniorrolle im Schatten der SP behalten will.» Die GLP wäre schliesslich ebenfalls offen für eine engere Zusammenarbeit mit den Grünen, etwa für die Gemeinderatswahlen. «Es würde sich für beide Parteien lohnen, eine Zusammenarbeit neu zu denken», sagt Hegg. Etwa, was die Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz betreffe. Doch zumindest für die kommende Wahl ist das vom Tisch.
Mit der Grünliberalen Partei gebe es zwar viele Gemeinsamkeiten, sagt Stefan Rüber, Präsident der Grünen Biel. «Für eine gemeinsame Liste sind die Differenzen jedoch zu gross.» Besonders, was die Finanzpolitik angehe. Da sei man der SP deutlich näher. Und für Rüber steht fest: «Klima- und Umweltschutz geht nur sozial.» Lediglich die Privaten in die Pflicht zu nehmen, reiche nicht aus.
Auch auf einer gemeinsamen Liste mit der SP können die Grünen zwei starke Kandidaturen ins Rennen schicken, ist Rüber überzeugt. Und man erhöhe dadurch die Wahrscheinlichkeit, die rot-grüne Mehrheit im Gemeinderat zu bewahren. Für ein grünes Stadtpräsidium zu kämpfen, sei seit der Erklärung von Lena Frank, nicht für das Amt zu kandidieren, keine Option mehr. Hätte Frank hingegen kandidiert, wäre eine gemeinsame Liste «schwierig geworden», sagt Rüber. Dann wären Gonzalez Bassi und Frank wohl gegeneinander angetreten.
05.01.2024 – Ajour.ch: Anna Tanner will in den Bieler Gemeinderat – und wieso SP und Grüne erneut zusammenspannen
Hannah Frei